[box type=“info“ style=“rounded“]Inspiriert von Petra Gust-Kazakos (aka Philea), die in Ihrem Blog „Sammelstückchen“ ausstellt habe ich in unserem Haus mal die Krüge zusammengesucht, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt haben. Fast alle der Krüge stammen von Reisen, wenngleich Sie nicht als Souvenir im eigentlichen Sinne gedacht waren, dennoch:  Als ich jeden Krug in die Hand nahm, um ihn zum Foto zurecht zustellen, kamen tatsächlich die Erinnerungen an die Situation in der ich den der Krug erworben, nicht immer gekauft, habe. Einige davon habe ich Philea erzählt und sie hat davon in ihrem Blog berichtet.

Krüge scheinen doch von größerem Interesse zu sein, als ich dachte. Es trudeln nun Nachfragen nach einzelnen Krügen und deren Geschichten ein.  Das  nehme ich zum Anlass, eine kleine Serie begründen – für die Krug- und Geschichteninteressierten. [/box]

Detail Denby-Krug mit Kebeln

krug aus Wolverhampton

[dropcap]D[/dropcap]er Krug stammt aus Großbritannien, genauer aus England, Westmidlands, Wolverhampton. Die Region ist dem Ruhrgebiet ähnlich, viel Schwerindustrie, ehemalige,  der Strukturwandel ist noch in vollem Gange. An der University of Wolverhampton war ich in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts für ein Semester Gastdozent.

Üblicherweise kennt man von England die Gärten, den Tee, malerische Landschaften und bei Universitäten denken die meisten an Oxford und Cambridge, vielleicht noch an das Trinity College in London. Wolverhampton hat keine solche Highlights. Es ist einfach eine englische Großstadt und doch gibt es dort alles, was der Englandreisende erwartet: full english breakfast, eine alte Kathedrale, real ale und natürlich Linksverkehr.

Der Krug ist ein echter Denby. Denby ist ein Prozellan-Hersteller, der, vergleichbar mit Villeroy und Boch in Mettlach,  in 200 Jahren von einer Porzellanmanufaktur (gegründete 1809 in Derbyshire) zu einem gefragten Lieferanten von Küchen- und Tischwaren gewachsen ist. Man kann annehmen, dass es fast unmöglich ist, in einem Mittelklassehaushalt in England Tee zu trinken, ohne dieser table ware zu begegnen.

Die Geschichte, an die mich dieser Krug errinnert ist schnell erzählt und hat mit einem sprachlichen Missverständnis zu tun. Derlei Missverständnisse stellen sich ein, wenn man seine durchaus guten Sprachkenntnisse an den Realitäten der Umgangssprache in echten Kommunikationssituationen testen muss:

[dropcap]I[/dropcap]ch war also eingeladen ein Semester lang die Studierenden der Universität Wolverhampten zu unterrichten. Diese machte sich gerade auf den Weg, sich von einer „Polytechnic“ zu einer „University“ zu entwickeln und hatte deshalb noch keine ausreichende Anzahl an Wohnungen für Gastwissenschaftler. Man hatte deshalb, übergangsweise, einen Flügel im nahen Studentenwohnheim den akademischen Gästen vorbehalten. Das Wohnheim lag zentral. Eine kurze Fahrt mit dem Bus führte in die Universität. Bei schönen Wetter und mit der nötigen Zeit war der Weg auch zu Fuß zu machen. Dieser führte vorbei am Kaufhaus „Beatties“ in der Victoria Street. Seit 2005 gehört Beatties, 1877 in Wolverhampton gegründet mit weiteren Filialen in den Midlands of  England, leider zum Konzern „House of Frazer“ und ist ein gesichtsloser „Department Store“ geworden. Seinerzeit war es ein Kaufhaus mit eigenem Profil, bekannt auch durch seine wohlsortierte Porzellanabteilung.

Mein Zimmer im Gästeflügel des Studentenwohnheims verfügte über alles Notwendige. Es gab sogar einen Telefonanschluss, doch den erforderlichen Apparat und die notwendigen Kabel gab es nicht. Ich war damals schon mit den Insignien eines reisenden Akademiker ausgestattet und hatte Laptop (damals noch irre schwer) und Mobiltelefon dabei. Mein Laptop hatte sogar ein eingebautes Modem. Nur ein Kabel hatte ich nicht. Telefonisch war ich leicht über mein Handy erreichbar, doch meine eMails gedachte ich mit dem mit Modem ausgestatteten Laptop über die Telefonleitung abzurufen.

Großbritannien galt auch damals schon als Land, das modernen Technologien durchaus aufgeschlossen gegenüber steht, so dass ich zuversichtlich war, ein Kabel für die Verbindung von Modem und Telefondose zu finden.

[dropcap]I[/dropcap]n der Universität fragte ich einen Kollegen danach, wo ich ein solchen Kabel wohl erwerben könnte. Der Kollege bewunderte meine technische Ausstattung, stellte fest, dass mein Laptop aus China stammte und meinte ich solle   doch mal bei BT’s nachfragen die hätten alles, was man für solche Zwecke benötige, dort gäbe es sogar Kabel für die seltensten Modelle, auch solche aus China.

Nun, hier kommt die lokale Phonetik ins Spiel, die einen noch so guten Sprecher einer Fremdsprache in die Irre führen kann. Sein Hinweis auf BT’s (gesprochen „beetees“) klang in meinen Ohren wie „Beatties“, dem Namen des großen Kaufhauses an dem ich jeden Tag vorbei kam. Nun, ich begab mich auf den Weg dorthin, und machte weitere Bekanntschaft mit Situationen, die sich einstellen, wenn Bedeutungsraum und Intonation nicht mehr zielführend zusammenpassen:

Wortreich versuchte ich an der Informationstheke von Beatties einer freundlichen, aber mit nicht-nativen Sprechern des lokalen Englisch unerfahrenen, Dame mein Problem zu erklären. Der Lohn meiner sprachlichen Verrenkungen – anders kann man es nicht nennen – war nichts als ein fragender Blick.

Herrje, da unterrichtet man komplizierteste kulturwissenschaftliche Sachverhalte in englischer Sprache und in einem Kaufhaus, scheinen die Sprachkenntnisse nichts zu nutzen. Nach mehrminütigem, anstrengendem Umformulieren, freundlichem Erklären und ebenso freundlichem Unverständnis, griff ich zum ultimativen Mittel der Verständigung zweier Sprecher verschiedener Sprachen, zur Reduktion: „Modem — Cabel — China“.

Plötzlich erhellten sich die Gesichtszüge der freundlichen Dame, die Erkenntnis nach langer Zeit der Finsternis ahnen ließen. Freundlich, fast erleichtert, erklärte sie mir den Weg durchs Haus direkt ins Zentrum der Abteilung für — Porzellan (englisch: China), für deren erlesene Auswahl das Haus ja bekannt war.

Für heute gab ich auf. Also kein Kabel, keine eMails, dafür aber ein Regal mit Krügen. Der hier abgebildete Krug fand an diesem Tag, gleichsam als Frustkauf, in unsere Sammlung.  Das ganze Semester stand er im Regal in meinem Gästezimmer und erinnerte mich, dass ich mir noch ein Kabel besorgen wollte. Ich hatte jedoch einen Computer in meinem Büro in der Universität, von da konnte ich auch meine eMails abrufen. Dabei habe ich es dann auch belassen.

Viel später kam ich in einer Seitenstraße der Victoria Street an einem Shop der British Telecom, unseren Telefonläden der 90er Jahre vergleichbar, vorbei.  Als mein Blick auf das Schild (BT) fiel und ich leise „beetee“ intonierte hat es „klick“ gemacht. Da war aber meine Gastdozentur in Wolverhampton schon fast vorbei.