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Kategorien-Archiv: Reisen

Ein Kaufhaus und die British Telecom: Ein Krug aus Wolverhampton

18 Sonntag Mär 2012

Posted by gmeder in Kruggeschichten, Reisen, Sprache

≈ 6 Kommentare

[box type=“info“ style=“rounded“]Inspiriert von Petra Gust-Kazakos (aka Philea), die in Ihrem Blog „Sammelstückchen“ ausstellt habe ich in unserem Haus mal die Krüge zusammengesucht, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt haben. Fast alle der Krüge stammen von Reisen, wenngleich Sie nicht als Souvenir im eigentlichen Sinne gedacht waren, dennoch:  Als ich jeden Krug in die Hand nahm, um ihn zum Foto zurecht zustellen, kamen tatsächlich die Erinnerungen an die Situation in der ich den der Krug erworben, nicht immer gekauft, habe. Einige davon habe ich Philea erzählt und sie hat davon in ihrem Blog berichtet.

Krüge scheinen doch von größerem Interesse zu sein, als ich dachte. Es trudeln nun Nachfragen nach einzelnen Krügen und deren Geschichten ein.  Das  nehme ich zum Anlass, eine kleine Serie begründen – für die Krug- und Geschichteninteressierten. [/box]

Detail Denby-Krug mit Kebeln

krug aus Wolverhampton

[dropcap]D[/dropcap]er Krug stammt aus Großbritannien, genauer aus England, Westmidlands, Wolverhampton. Die Region ist dem Ruhrgebiet ähnlich, viel Schwerindustrie, ehemalige,  der Strukturwandel ist noch in vollem Gange. An der University of Wolverhampton war ich in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts für ein Semester Gastdozent.

Üblicherweise kennt man von England die Gärten, den Tee, malerische Landschaften und bei Universitäten denken die meisten an Oxford und Cambridge, vielleicht noch an das Trinity College in London. Wolverhampton hat keine solche Highlights. Es ist einfach eine englische Großstadt und doch gibt es dort alles, was der Englandreisende erwartet: full english breakfast, eine alte Kathedrale, real ale und natürlich Linksverkehr.

Der Krug ist ein echter Denby. Denby ist ein Prozellan-Hersteller, der, vergleichbar mit Villeroy und Boch in Mettlach,  in 200 Jahren von einer Porzellanmanufaktur (gegründete 1809 in Derbyshire) zu einem gefragten Lieferanten von Küchen- und Tischwaren gewachsen ist. Man kann annehmen, dass es fast unmöglich ist, in einem Mittelklassehaushalt in England Tee zu trinken, ohne dieser table ware zu begegnen.

Die Geschichte, an die mich dieser Krug errinnert ist schnell erzählt und hat mit einem sprachlichen Missverständnis zu tun. Derlei Missverständnisse stellen sich ein, wenn man seine durchaus guten Sprachkenntnisse an den Realitäten der Umgangssprache in echten Kommunikationssituationen testen muss:

[dropcap]I[/dropcap]ch war also eingeladen ein Semester lang die Studierenden der Universität Wolverhampten zu unterrichten. Diese machte sich gerade auf den Weg, sich von einer „Polytechnic“ zu einer „University“ zu entwickeln und hatte deshalb noch keine ausreichende Anzahl an Wohnungen für Gastwissenschaftler. Man hatte deshalb, übergangsweise, einen Flügel im nahen Studentenwohnheim den akademischen Gästen vorbehalten. Das Wohnheim lag zentral. Eine kurze Fahrt mit dem Bus führte in die Universität. Bei schönen Wetter und mit der nötigen Zeit war der Weg auch zu Fuß zu machen. Dieser führte vorbei am Kaufhaus „Beatties“ in der Victoria Street. Seit 2005 gehört Beatties, 1877 in Wolverhampton gegründet mit weiteren Filialen in den Midlands of  England, leider zum Konzern „House of Frazer“ und ist ein gesichtsloser „Department Store“ geworden. Seinerzeit war es ein Kaufhaus mit eigenem Profil, bekannt auch durch seine wohlsortierte Porzellanabteilung.

Mein Zimmer im Gästeflügel des Studentenwohnheims verfügte über alles Notwendige. Es gab sogar einen Telefonanschluss, doch den erforderlichen Apparat und die notwendigen Kabel gab es nicht. Ich war damals schon mit den Insignien eines reisenden Akademiker ausgestattet und hatte Laptop (damals noch irre schwer) und Mobiltelefon dabei. Mein Laptop hatte sogar ein eingebautes Modem. Nur ein Kabel hatte ich nicht. Telefonisch war ich leicht über mein Handy erreichbar, doch meine eMails gedachte ich mit dem mit Modem ausgestatteten Laptop über die Telefonleitung abzurufen.

Großbritannien galt auch damals schon als Land, das modernen Technologien durchaus aufgeschlossen gegenüber steht, so dass ich zuversichtlich war, ein Kabel für die Verbindung von Modem und Telefondose zu finden.

[dropcap]I[/dropcap]n der Universität fragte ich einen Kollegen danach, wo ich ein solchen Kabel wohl erwerben könnte. Der Kollege bewunderte meine technische Ausstattung, stellte fest, dass mein Laptop aus China stammte und meinte ich solle   doch mal bei BT’s nachfragen die hätten alles, was man für solche Zwecke benötige, dort gäbe es sogar Kabel für die seltensten Modelle, auch solche aus China.

Nun, hier kommt die lokale Phonetik ins Spiel, die einen noch so guten Sprecher einer Fremdsprache in die Irre führen kann. Sein Hinweis auf BT’s (gesprochen „beetees“) klang in meinen Ohren wie „Beatties“, dem Namen des großen Kaufhauses an dem ich jeden Tag vorbei kam. Nun, ich begab mich auf den Weg dorthin, und machte weitere Bekanntschaft mit Situationen, die sich einstellen, wenn Bedeutungsraum und Intonation nicht mehr zielführend zusammenpassen:

Wortreich versuchte ich an der Informationstheke von Beatties einer freundlichen, aber mit nicht-nativen Sprechern des lokalen Englisch unerfahrenen, Dame mein Problem zu erklären. Der Lohn meiner sprachlichen Verrenkungen – anders kann man es nicht nennen – war nichts als ein fragender Blick.

Herrje, da unterrichtet man komplizierteste kulturwissenschaftliche Sachverhalte in englischer Sprache und in einem Kaufhaus, scheinen die Sprachkenntnisse nichts zu nutzen. Nach mehrminütigem, anstrengendem Umformulieren, freundlichem Erklären und ebenso freundlichem Unverständnis, griff ich zum ultimativen Mittel der Verständigung zweier Sprecher verschiedener Sprachen, zur Reduktion: „Modem — Cabel — China“.

Plötzlich erhellten sich die Gesichtszüge der freundlichen Dame, die Erkenntnis nach langer Zeit der Finsternis ahnen ließen. Freundlich, fast erleichtert, erklärte sie mir den Weg durchs Haus direkt ins Zentrum der Abteilung für — Porzellan (englisch: China), für deren erlesene Auswahl das Haus ja bekannt war.

Für heute gab ich auf. Also kein Kabel, keine eMails, dafür aber ein Regal mit Krügen. Der hier abgebildete Krug fand an diesem Tag, gleichsam als Frustkauf, in unsere Sammlung.  Das ganze Semester stand er im Regal in meinem Gästezimmer und erinnerte mich, dass ich mir noch ein Kabel besorgen wollte. Ich hatte jedoch einen Computer in meinem Büro in der Universität, von da konnte ich auch meine eMails abrufen. Dabei habe ich es dann auch belassen.


Viel später kam ich in einer Seitenstraße der Victoria Street an einem Shop der British Telecom, unseren Telefonläden der 90er Jahre vergleichbar, vorbei.  Als mein Blick auf das Schild (BT) fiel und ich leise „beetee“ intonierte hat es „klick“ gemacht. Da war aber meine Gastdozentur in Wolverhampton schon fast vorbei.

Ausflüge und Jahreszeiten: Ein Krug aus Sibirien

10 Samstag Mär 2012

Posted by gmeder in Kruggeschichten, Reisen, Russland

≈ 5 Kommentare

Inspiriert von Petra Gust-Kazakos (aka Philea), die in Ihrem Blog „Sammelstückchen“ ausstellt habe ich in unserem Haus mal die Krüge zusammengesucht, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt haben. Fast alle der Krüge stammen von Reisen, wenngleich Sie nicht als Souvenir im eigentlichen Sinne gedacht waren, dennoch:  Als ich jeden Krug in die Hand nahm, um ihn zum Foto zurecht zustellen, kamen tatsächlich die Erinnerungen an die Situation in der ich den der Krug erworben, nicht immer gekauft, habe. Einige davon habe ich Philea erzählt und sie hat davon in ihrem Blog berichtet. Krüge scheinen doch von größerem Interesse zu sein, als ich dachte. Es trudeln nun Nachfragen nach einzelnen Krügen und deren Geschichten ein.  Das  nehme ich zum Anlass, eine kleine Serie begründen – für die Krug- und Geschichteninteressierten.


Der Artikel ist etwas lang geworden. Wer ihn lieber hören als lesen mag, kann ihn hier anhören oder herunterladen:  

Krug aus Sibirien

Der Krug im Bild stammt aus Sibirien, genauer aus Tobolsk. Wenn ich ihn ansehe, dann entführt mich die Erinnerung zurück in meine Zeit in Tjumen.

[dropcap]S[/dropcap]ibirien. Hier nur bekannt als Land der Kälte und der Verbannung. Das ist aber nur zum Teil richtig. Tatsächlich ist es dort wirklich richtig kalt. Zu Beginn meiner Zeit in Tjumen wurde ich auf eine Datscha mit Sauna an einem kleinen See außerhalb von Tjumen eingeladen wurde. Zunächst sollte gegessen werden und dann in die Sauna. Ja, das ist anders als bei uns. Bei uns hat Sauna immer etwas Körper-gesundes. In Russland ist Sauna (Banja) in erste Linie etwas für die Seele, auch darf man nach einem guten und reichlichen Essen in die Sauna. So wird auch Vodka und „Schapanska“ zwischen den Saunagängen getrunken. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Ich will zunächst von der Kälte erzählen.  – Vor dem Essen wollte ich noch eine kleine Wanderung machen. Es war Winter, ein wunderschöner Winter. Die Sibirier sagen, der Winter sei die schönste Jahreszeit in Sibirien. Es mögen so minus 30 Grad gewesen  sein. (Ja es geht auch kälter, das ist aber eher im Nordosten Sibiriens, Tjumen liegt im Südwesten.) Schöne trockene Kälte, der Schnee so kalt und pulverig, dass man ihn kaum zu Schneebällen formen kann.

Nun, ich wollte also – bis zum Essen waren noch drei Stunden zu überbrücken – ein wenig wandern. Allein, um die Landschaft und die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen.  Ich lief also los, dick in warme Kleidung gepackt. Einfach den Weg im Schnee entlang in den laublosen, deshalb übersichtlichen, Birkenwald.

Ich hatte vor, ungefähr eine Stunde zu gehen und dann umzukehren. Nach einer Stunde wurde mir kalt und ich kehrte um. „Das passt ja“, dachte ich und begann mich auf einen heißen Tee zu freuen. Was dann kam, habe ich bis heute in lebhafter Erinnerung: Mir wurde kälter und kälter. Selbst schnelles Gehen, dann Laufen führte nicht mehr dazu, dass mir warm wurde. Ich fror von innen. Nicht nur die Hände und Füße, die auch schon mal in Winter bei uns kalt werden. Nein, die Kälte schien von innen zu kommen und mir die Kräfte zu rauben. Das Laufen wurde immer mühsamer und irgendwie machte sich auch so etwas wie Angst breit.

Endlich sah in einiger Entfernung die kleine Datschensiedlung und dann auch das Häuschen und die dampfende Sauna. Außer Atmen und völlig durchgefroren kam ich an. Man hatte sich schon sorgen gemacht und schüttelte über „den aus dem Westen“ den Kopf: „Wandern?! Im Winter?!“

[dropcap]I[/dropcap]m Sommer dagegen ist es sehr heiß in Sibirien. Im Südwesten Sibiriens kommen in den sumpfigen Gebieten dann noch die Mücken dazu. Ein Aspekt des Klimas in Sibirien, der im Westen eher weniger bekannt ist. Die atemberaubendste Jahreszeit in Sibirien ist aber der sehr kurze Herbst.

Es war schon Herbst, als ich zu einem Tagesausflug in die nach Tjumen zweitgrößte Stadt Sibiriens, nach Tobolsk, eingeladen. Tjumen ist die Haupstadt und zugleich größte Stadt des Tjumenskij Oblast (einem Förderationssubjektes Russlands, unseren Bundesländern vergleichbar). Der Tjumenskij Oblast hat insgesamt ca. 1,3 Mio Einwohner auf einer Fläche eines Drittels der Größe von Deutschland (ca. 8 Einwohner je qkm, Deutschland 229 Einwohner je qkm)), davon Leben ca. 580.000 in Tjumen-Stadt.

Es sollte also nach Tobolsk gehen, die auch zweitälteste Stadt des Oblast Tjumen – die älteste ist Tjumen. Sehenswert sei dort der älteste steinerne Kreml östlich des Ural. „Tagesausflug“, das heißt wohl 1-2 Stunden fahren, den Tag Vorort verbringen und dann wieder 1-2 Stunden zurück. Auch die Entfernungsangabe, ca. 250 km, ließ auf einen solchen Ablauf schließen.

Nun, ich hatte zu lernen, dass Entfernungen und Zeitläufe in Sibirien anders gemessen werden. Am Morgen der Abfahrt traf sich die kleine Gruppe vor einem Syncro, einer Art geländegängigen, allradgetriebenen VW-Bus aus den UAZ-Werken in Uljanovsk (genauer: ein UAZ 452V, die Personentransportervariante eines geländegängigen Kastenwagens). Kisten und Taschen mit allerlei Gerät sowie Ess- und Trinkbaren wurden in den freundlich hellblau und weiss gefärbten Minibus verladen und es ging los. Innerstädtisch ging es noch ganz flott. Nachdem wir die GAI-Station (Verkehrspolizei) am Außenring der Stadt passiert hatten, wurden die Straßen jedoch merklich schlechter, die Natur dafür umso atemberaubender. Dieses Gelb der Birkenwälder ist ohne Gleichen. Noch heute dringt es aus meinen Träumen in den Tag.

Wir legen so zwischen 30 und 50 Kilometer in der Stunde zurück. Die Aussicht auf die Landschaft, die zunächst abwechslungsreich ist, lenkt von dem geringen Tempo er Reise ab. Die Wälder wechseln ab mit den sumpfigen Steppen. Nach einiger Zeit verliert sich jedes Zeichen von Zivilisation, nur am Horizont sind menschliche Siedlungen zu erkennen. Und tatsächlich, das sieht aus wie ein Minarett. Ich erfahre, dass wir im Lande der Tartaren sind (genauer, die Chanten und Mansen, in deren autonomen Region „Chanti-Mansisk“ auch Tartarenvölker leben). In dieser Region leben einige tartarischen Völker, die mehrheitlich Muslime sind und hier, natürlich, auch ihre Gotteshäuser haben.

Die Landschaft wird eintöniger und nach bereits drei Stunden Fahrt werde ich unruhig. „Kann man schon etwas sehen, von unserem Ziel?“ Jede Flussbiegung halte ich für Vorzeichen der Mündung des Tobol in den Irtysch, jenes Zusammenflusses an dem Tobolsk liegen sollte. Meine Reisegefährten schmunzeln bei meiner Nachfrage. Ich meine sehen zu können, was sie denken: „Diese ungeduldigen Leute aus dem Westen.“.

Nun, man suchte zunächst ein schönes Plätzen in der Nähe des Flusses um ein Picknick zu machen. Grill, Gaskocher und die vielen sibirischen Köstlichkeiten werden ausgepackt. So lerne ich den gekocht wie gegrillt gleichermaßen leckeren Weißfisch „Muksun“ kennen. Tee wird gekocht und auch Wodka getrunken. Zu meiner Beunruhigung sogar vom Fahrer. Mein kritischer Blick, den ich leider nicht unterdrücken kann, wird mit dem Hinweis darauf, dass der Fahrer sehr erfahren sei und die Straßen breit und wenig kurvig sind, quittiert.

Ausführliches russisches Picknick also, von erfahrener Hand zubereitet. Nach einer guten Stunde geht die Reise weiter. Die sumpfige Steppe des westsibirischen Tieflandes wird eintöniger, hin und wieder Dörfer am Horizont, ab und zu Aussicht auf den Fluss und oft entlang der Pipelines, die meist Gas, in den Süden des Landes zum Kaspischen Meer transportieren. Von dort wird es verschifft zu uns, wo es unsere Wohnungen wärmt.

Die Zeit verging quälend langsam, während der Syncro mit 30-50 Kilometern in der Stunden dahin schlich; das Ruckeln des Wagens, das Glas („Stogram“) Vodka versetzte mich in einen tranceähnlichen Zustand, der mich vom Kurier des Zaren träumen ließ. Die vom Jules Verne erzählte abenteuerliche Reise von Michael Strogoff von Moskau nach Irkutsk. Vor Jahren hatte ich das gelesen und mir nie träumen lassen, dass ich die dort beschriebenen Landschaft, das überwältigende Reisegefühl beim Anblick der Landschaften Sibiriens einmal selbst erleben werde. Orts- und Flussnamen, die ich nur aus Jules Vernes Reisebeschreibung kannte, stehen hier auf Orts- und Hinweisschildern.

Aus meinem halbschläfrigen Tagtraum wurde ich geweckt, als der Wagen plötzlich stoppte und man beschloss mir auf der Brücke über den Irtysch den Blick auf Tobolsk am Horizont zu zeigen. Tobolsk liegt auf einem kleinen Hügel (immerhin 90 m hoch, was hier im Tiefland schon wie ein Berg anmutet), den der Irtysch am Ende der Eiszeit geschoben hat.

Die Straße wurde immer besser und wir fuhren schneller, wenngleich weder Straße noch Geschwindigkeit mit den in Westeuropa herrschenden Verkehrbedigungen für eine 250 km Reise in die Nachbarstadt zu vergleichen ist. Es dauert noch eine weitere Stunde bis wir den berühmten Kreml erreichen.

Bis hierher hatten wir insgesamt acht Stunden benötigt.

[dropcap]T[/dropcap]obolsk war schnell erkundet: Die Stadt ist weitläufig, viele sibirische Holzhäuser auf großem Grundstück. Platz ist hier kein knappes Gut. Sie hat einen Hafen, der an die Häfen im nördlichen Norwegen erinnert. Der Irtysch ist hier bereits ein gewaltiger Fluss.

Der Kreml ist tatsächlich sehenswert. Er zeugt von der Zeit als sich das zaristische Russland nach Sibirien ausgedehnte. Hier nahm die Eroberung Sibiriens durch die Russen ihren Anfang und der steinerne Kreml ist der Beginn der Steinbauten in Sibirien, mit Festungsanlagen, Kathedrale und auch Handelshäusern. Auch das Heimatmuseum zeugt davon. Ein Rundgang von einer Stunde erschließt alles, was es zu sehen gibt. Da meine russisch-sibirischen Reisebegleiter zwar sehr stolz auf diese städtebaulichen Kleinode in dieser Weite Sibiriens waren, jedoch kein Interesse für die indigenen Völker Sibiriens zeigten, haben wir uns das Museum der Chanten und Mansen leider nicht angeschaut.

Innerhalb der Kremlmauern hatte eine alte Frau einen Stand mit allerlei, teils sehr frömmelnden Andenken aufgebaut. Das hat mich sehr verwundert: Einerseits die christlichen Andenken hier in Russland, dass sich doch gerade erst von seinem atheistischen Kommunismus zu emanzipieren begann (es war 1992) und ich fragte mich, ob sich das Geschäft lohnt, hier im  menschenleeren Sibirien. Danach gefragt als ich den Krug kaufte, sagte die alte Frau „Sie sind doch gekommen!“ und, ganz altersweise, „was die Kirche betrifft: Moskau und die roten Zaren sind weit …“

[dropcap]D[/dropcap]er Rest der Reise ist schnell erzählt: Wir hielten uns ca. eineinhalb Stunden in Tobolsk auf und machten uns dann auf die Rückfahrt, die, weil ohne Picknick, nur sieben Stunden dauerte. Zu sehen gab es in der Dunkelheit nicht viel. So dämmerte und schlief ich vor mich hin und träumte erneut vom Kurier des Zaren. Zwischendurch hatte ich das Gefühl das Pferdetrappeln des Tatarenheeres zur hören und als aus dem Dunkel der sibirischen Nacht die Lichter von Tjumen auftauchten, glaubte ich im Halbschlaf das Brennen der vom Tartarenführer Ogareff gebrandschatzten Siedlungen zu erkennen.

[dropcap]W[/dropcap]ieder munter im Hotel hatte ich meine Lektion gelernt für meine Zeit in Sibirien: 250 km – acht Stunden Hinfahrt – eineinhalb Stunden Aufenthalt – sieben Stunden Rückfahrt. Distanzen und Zeit haben hier eine andere Bedeutung.
Immer wenn ich den Krug anschaue mahnt er mich, meine Maße zu relativieren und erinnert mich an die Zuversicht und die Worte der alten Frau am Andenkenstand: „Sie sind ja gekommen! Moskau und die roten Zaren sind weit.“

Was Krüge so erzählen können

04 Sonntag Mär 2012

Posted by gmeder in Allgemein, Bücher, Kruggeschichten, Reisen, Schreiben

≈ 7 Kommentare

Eine Reihe, der erste internationale Vortrag und der erste Krug aus Zürich

[dropcap]I[/dropcap]nspiriert von Petra Gust-Kazakos (aka Philea), die in Ihrem Blog „Sammelstückchen“ ausstellt habe ich in unserem Haus mal die Krüge zusammengesucht, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt haben. Fast alle der Krüge stammen von Reisen, wenngleich Sie nicht als Souvenir im eigentlichen Sinne gedacht waren, dennoch:  Als ich jeden Krug in die Hand nahm, um ihn zum Foto zurecht zustellen, kamen tatsächlich die Erinnerungen an die Situation in der ich den der Krug erworben, nicht immer gekauft, habe. Einige davon (zu den Krügen aus Kumrovec, Sarepta und vom Narrowboat) habe ich Philea erzählt und sie hat davon in ihrem Blog berichtet. Zum Thema Souvenir als Reiseerinnerung hat Petra einige Gedanken in ihrem überaus lesenswerten Buch „Ganz weit weg. Leselust und Reisefieber“ veröffentlich.

 Krüge scheinen doch von größerem Interesse zu sein, als ich dachte. Es trudeln nun Nachfragen nach einzelnen Krügen ein. Die ich hier und nicht in den Kommentaren zum Blogbeitrag beantworte, weil ich hier noch Bilder veröffentlichen kann und weil die Nachfragen nach den Krügen mir die Erinnerungs- und Kaufgeschichten wieder ins Gedächtnis rufen. Damit kann ich dann auch eine kleine Serie begründen – für die Krug- und Geschichteninteressierten.

Im Anschluss an die Veröffentlichung der Krügesammlung in Philea’s Blog haben mehrere Leser/innen fragten per per Mail danach, welches der erste Krug war. Nun, ich muss gestehen, dass ich diesen Krug auf den Bildern ganz vergessen hatte. Er stand gesondert, eben weil er der erste war hatte ich wohl aber meinen suchenden Blicken entzogen.

[dropcap]N[/dropcap]un, der erste, der Krug mit dem alles begann, stammt aus Zürich. Es war anlässlich meines ersten internationalen Vortrags auf einem Kongress. Das war die ZÜRI-Lex 1986 der Euralex, der Kongress in Zürich der Europäischen Gesellschaft für Lexikographie. Ohje, ist das schon lange her. Den Krug betrachtend, kommen mir die Gefühle wieder: irgendwas zwischen Stolz („Ich darf jetzt mit den Großen spielen.“) und Nervosität  („Bin ich denn schon ein Großer?“). Nun, dort habe ich meine Ideen zur lexikographischen Behandlung der der Komparationsmorphologie deutscher Adjektive vorgestellt – das endete dann mit einer 250 Seiten umfassenden Arbeit zu dem Thema (Auszug daraus hier).

Der Anblick des Kruges erinnert mich daran, dass ich einen Abend vor meinem Vortrag heftiges Fieber bekam (offensichtlich eine üble Variante von Lampenfieber) und weitere Symptome eines grippalen Infektes. Der Krug erzählt mir, dass ich mir in Zürich in einer Apotheke das Medikament „Gripostat C“, mir völlig unbekannt aber von einem eidgenössischen Apotheker freundlich empfohlen, gekauft habe. Meine schon damals sehr starken Bedenken gegen gegen Kombinationspräparate habe ich zurückgestellt und  die Nacht  dann wider erwarten sehr gut geschlafen. Ich bin frisch aufgewacht, habe einen schönen Vortrag gehalten. Der erfolgreiche Vortrag hat reichlich Endorphine freigemacht. Dieses tolle Gefühle wollte ich irgendwie teilen und beschlossen, irgendetwas schönes für meine Liebste zu besorgen. Ich schlendert also euphorisiert an Zürichsee und Limmat entlang und meine Blick viel in ein Schaufenster mit Keramik. Sofort war mir klar, ich bringen einen Krug mit nach Hause. Das dies der Anfang für eine Sammlung mehrerer Dutzend Krüge werden sollte, war da noch nicht klar.

Ich werde hier in loser Folge über die weiteren Krüge und deren Geschichte berichten.

 

Videoversuche und Dampflok im Harz

09 Donnerstag Jun 2011

Posted by gmeder in Filme, Reisen

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Im letzten Jahr war ich mit einem guten Freund im Harz. Ich muss zugeben, obwohl ich den Harz aus der Sicht von Goethe und Heine sehr gut kannte, war ich selbst noch nicht dort. Wir hatten, ganz gegen die übliche Erfahrung für die Jahreszeit, wie uns Kenner berichteten, ausnehmend gutes Wetter mit viel Aussicht und Sonne. Einen der Tage dort haben wir vollständig auf der Harzer Schmalspurbahn verbracht. Der wohl einzigen Museumsbahn, die noch produktiven Linienverkehr ausführt. Außerordentlich pünktlich, da könnte die DB was lernen.

An diesem Tag habe ich meine Bridgekamera (Canon SX20IS, wird leider nicht mehr gebaut, Nachfolgemodell SX30), die auch HD-Videos aufnhemen kann ausgiebig nutzen können (was soll man auch sonst tun, wenn man den ganzen Tag in und an einem sehr vollen Minizug steht). Hilfreich für die Videos und Fotos war, dass der Zugführer regelmäßig sog. Scheinanfahrten durchführte: Alle Aussteigen, der Zug setzt zurück und fährt unter Volldampf auf die Wartenden Passagiere zu. Nunja, dass muss ich nicht immer haben, aber für einen Tag in den Ferien war es ganz kurzweilig. Das Ergebnis der Foto- und Videosessions habe ich in einem Youtubevideo zusammengetragen. Die Musik stammt von Jeff Palmer, der seine Stücke bei magnatune veröffentlich. magnatune bietet übrigens eine ganze Reihe interessanter Künstler zu wirklich bezahlbaren Preisen.

So,  und wie ich die youtube-Videos unter WP einbindet, habe ich jetzt auch gelernt. Wir fortgesetzt …

Katerorien

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