Seit diesem Jahr habe ich eine kleine Literaturkolumne in unserer lokalen Wochenzeitung. Jeweils in der letzten Ausgabe des Monats der Werdener Nachrichten erscheint eine Besprechung eines oder mehrerer Titel zu einem Thema. Für diejenigen die diese Zeitung nicht beziehen aber trotzdem wissen wollen, was ich da so bespreche, gibt es die Artikel mit etwas zeitlichem Versatz nun auch hier.
“Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg”, sagen seine Freunde als er mitteilt, dass er beschlossen hat “für ein paar Tag oder Wochen oder Monate” kein Fleisch mehr zu essen. Begonnen hatte alles ganz harmlos mit dem Versuch eines Gänseessens mit Kollegen, als er feststellen musste das er – ganz politisch unkorrekt – der Einzige war, er noch Fleisch aß. Nur ein paar Tage kein Fleisch essen, keinesfalls wollte er einem Klub, einer Sekte oder so beitreten. Was sich daraus dann entwicklte zwischen radikalen Vegetarismus, Veganerie, Untergrundcarnivoren und subversivem Fleischkonsum bis hin zu einem Mord beschreibt der bekennende „Mode-Vegetarier“ Jacob Hein in seinem Text „Wurst und Wahn“ auf sehr unterhaltende Weise. In einem „aus Gründen des Quellenschutzes“ anonymen Protokoll gesteht der Held der Geschichte die immer absurder werdenden Ereignisse weg vom Fleisch und wieder zurück.
Die Essenerin Cora Gofferje beschreibt in ihrer Mädchengeschichte „Suche Vegetarier zum Anbeißen“ die Erlebnisse von Lana rund um Ferien auf dem Bauernhof statt Strandurlaub. Zwischen Vegetarismus und den lokalen Jungs wird eine Geschichte entsponnen, die Gofferje einen „Veggie-Roman“ nennt. Der Plot ist klar und wurde schon in vielen „Pferde-Romanen“ für junge Mädchen entwickelt: Zunächst unwilliger Teenie, verständnislose Eltern sowie Bauernhof und attraktive Jungs aus dem Dorf. Nur das hier nicht Traumpferde und Reitturnier die Geschichte antreiben, sondern, frisch erworbener Vegetarismus und ein Pro-Veggie-Werbespot in dem Lana mitmachen soll. Die Zutaten sind bekannt und dennoch versteht es Cora Gofferje eine (für die Zielgruppe) sicherlich spannende und in ihren Ereignissen rund um die Fleischvermeidung auch lustige Geschichte zu erzählen. Bisweilen nervt der etwas gutmenschelnde Tonfall (der ja auch den manchen Pferde-Romanen nicht fremd ist). Dennoch eine empfehlenswerte Lektüre. Beide Texte zeigen je auf ihre Weise, dass der Fleischverzicht im Mainstream angekommen ist.
Unter den vielen fast agitativen Texten, die uns überzeugen wollen, dass die fleischlose Lebensform die bessere, weil umwelt-, klima, tier- und menschenfreundlicher ragt der Titel von Theresa Bäuerlein positiv heraus. Mit „Fleisch essen, Tiere lieben“ zeigt sie kenntnis- und faktenreich „wo Vegetarier irren und was Fleischesser besser machen können“. Sie zeigt dass viele Argumente für oder gegen Fleischverzehr einer wenig zielführenden schwarz-weiss-gefärbten Logik entstammen. Weder schone Fleischverzicht automatisch das Klima noch sei man gleich ein besserer Mensch, wenn man vegetarisch oder vegan lebe. Ebenso gelte nicht, dass der Mensch auf Fleischverzehr angewiesen sei. Richtig sei, dass es keine Ernährungsform gäbe, die niemandem schade. Sie erklärt, unter welchen Bedingungen man mit gutem Gewissen Fleisch essen kann und wann es sinnvoll ist darauf zu verzichten. Wie so oft ist das recht Maß ist das entscheidende.
Jakob Hein: Wurst und Wahn. ISBN 978-386971-047-1
Cora Gofferjé: Suche Vegetarier zum Anbeißen. ISBN: 978-3-522-50150-7
Theresa Bäuerlin: Fleisch essen, Tiere lieben. ISBN: 978-3-453-28024-3