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Rechtzeitig zu Beginn der Adventszeit war am 22.11.2011 das Wort Weihnachtszeit wieder unter den Wörtern des Tages im Wortschatzportal der Universität Leipzig. Dies bedeutet, dass das Wort in der laufend beobachteten Häufigkeitsstatistik an diesem Tag häufiger war als an den anderen Tagen im Jahr. Heute, am ersten Advent, ist das Wort Weihnachtsgeschäft unter den Wörtern des Tages.
Gut, das ist erwartbar. Wenn ich mir aber die Wörter des Tages so durchschaue, dann vermisse – zur Weihnachtszeit – das Wort Wunschliste und Wunschzettel.

Die ersten von diesen Wunschzetteln und -listen sind mir nämlich schon begegnet, denn es ist wieder soweit: die Innenstädte und Einkaufszentren sind voll mit Menschen. Selbst an ganz normalen Tagen, mitten am Tag, zu Zeiten an denen man die Menschen an ihren Arbeitsplätzen vermutet, bevölkern sie die Einkaufszentren und die vielerorts bereits eröffneten Weihachtsmärkte. Es ist wieder Zeit, sich auf die Suche nach Geschenken zu machen. Und dies ist doch auch die hohe Zeit dieser ganz besonderen Listen, eben der Wunschlisten zu Weihnachten.

Was sind denn das eigentlich für Listen? Wer erstellt Sie? Aus welchem Geiste sind sie geboren? Wozu werden Sie erstellt?
Auf den ersten Blick scheint es ganz einfach zu sein: Jemand notiert auf einer Liste, was er oder sie sich zu einem bestimmten Anlass wünscht – und wartet welcher Wunsch sich wohl erfüllen wird. Soweit, so gut.

Bei genauerem Hinschauen scheint die Sache nicht ganz so einfach zu sein. Denke ich an die Menschen in den Einkaufszentren, so scheinen die Wunschlisten doch eher ToDo-Listen zu ähneln. Jenen Listen auf denen notiert wird, was zu erledigen ist. Eltern, Großeltern, Geschwister laufen durch die Kaufhäuser und Einkaufszentren in Erledigung der auf den Zetteln notierten Wünsche. Nicht etwa, dass die Wunschzettel gelesen werden als:

„Ich hab’ hier eine Liste von Wünschen, Dir zu helfen, mir etwas zu schenken – vielleicht schenkst Du mir etwas davon, vielleicht fällt Dir etwas anderes ein.“

Nein, zu finden sind hilflose Menschen in Spielwaren- und Elektronikabteilungen oder -fachgeschäften. Sie halten dem Personal den Liste hin mit der Bitte das entsprechende aus den Regalen zu suchen. Ich habe es erlebt:

Die Frau hält dem Verkäufer einen Zettel hin und fragt: Können Sie das lesen?
Verkäufer: Ja, das heißt XBox.
Frau: Wissen Sie was das ist?
Verkäufer: Ja. Haben wir auch.
Frau: OK. Und das andere? [auf dem Zettel]
Verkäufer: Ach, das ist das Zubehör.
Frau: OK, nehme ich auch.
Verkäufer: Nur den iPod, den bekommen Sie dahinten.
Frau: Gut, während Sie die Sachen holen, gehe ich da mal hin.

Ganz offensichtlich, hat die Frau eine ToDo-Liste abgearbeitet, die sie weder lesen konnte noch verstanden hat. Gut, dass es Fachpersonal gibt.

Wie konnte es dazu kommen?
Angefangen hat es mit den Wunschzetteln zu Weihnachten, so jedenfalls weiss es die Wikipedia  zu berichten, im 19. Jh., als die Kinder ihren Eltern, als den Mittelspersonen zum Christkind oder Weihnachtsmann eine Liste mit möglichen Wünschen aushändigten. Sie waren nicht für die Erfüllung, sondern nur für die Übermittlung der Wünsche zuständig. Nun scheint es eine Art Rückdelegation von seiten des Christkinds oder Weihnachtsmanns gegeben zu haben: Die Eltern sollen nun nicht nur die Wünsche übermitteln, sondern sie auch noch erfüllen. Da sie aber nun direkt mit den Wünschenden im Kontakt sind, auch nach der Wunscherfüllung und dann auch „first level support“ leisten müssen, scheint es ihnen wohl geraten, am besten alles zu erledigen was auf der Liste steht. Ob es nun sinnvoll ist oder nicht, ob sie es verstehen oder nicht. So geht man dem Ärger am Wunscherfüllungstag wohl am besten aus dem Wege.

Das ist natürlich auch den Wünschen nicht entgangen. Während der Wunschzettel sich früher (zumindest gefühlt) an höhere Autoritäten zu richten schien und entsprechend handschriftlich kunstvoll verziert wurde, ist es heute bereits möglich, die Wunschzettel virtuell zu führen, weiterzuleiten oder als link zu versenden. Neben Weihnachtsportalen, die entsprechende virtuelle Wunschzettel anbieten, bieten auch verschiedene Einkaufsportale (wie amazon, ebay etc.) Wunschlisten an, deren link sich leicht an die Wunscherfüllungsbeauftragten weiterleiten lassen.

Zum Schluss noch einmal eine sprachwissenschaftliche Betrachtung.
Die Suche im Wortschatzportal der Universität Leizig, immerhin mehrere Millionen Textwörter umfassende Korpora, und den Textsammlungen des DWDS (beide hatte ich bereit hier vorgestellt) zeigt, dass es sich bei den den Wunschlisten und Wunschzetteln tatsächlich nicht um Sammlungen von Wünschen handelt, die zu erfüllen man sich erhofft, sondern um Listen die es abzuarbeiten gilt.
Zunächst ist festzuhalten, dass das (was immer es ein mag) was auf den Wunschlisten zu finden ist, meist „ganz oben“ auf diesen Listen und Zetteln steht. Die häufigsten Wörter, die die Wörter Wunschliste und Wunschzettel begleiten sind nämlich oben, steht und ganz. Weitere Wörter, die Wunschliste und Wunschzettel begleiten sind

FC Bayern
AC Mailand
FC Köln
SV Waldhof
Real Madrid
Manchester United
bei Wunschzettel steht an dritter Häufigkeitsstelle immerhin Weihnachten, dann folgt aber: Transfer, van Nisterooy, Juventus, Verteidiger, Klinsmann, etc.

Wunschlisten und -zettel bei den Chefs der Fußballvereine Europas sind wohl eher Listen, die es abzuarbeiten gilt, um den Kader zu verstärken, bevor es die anderen tun.

Ja, in unserer säkularen, entzauberten Welt, spielen Weihnachtsmann und Christkind keine Rolle mehr – alle, selbst die Kleinsten, wissen inzwischen, dass die Wünsche auf ihren Zetteln nicht von höheren Mächten sondern von Freunden und Familienmitgliedern erfüllt werden. Dennoch wären Wunschlisten, die zusammenstellen, was wir uns wünschen, damit andere uns eine Freude machen können, wenn Sie wollen und unsere Liste kennen, schon hilfreich.

Ich für meinen Teil verweise dann gerne auf Bücherlisten und lasse mich überraschen, eine solche Liste für mich die Empfehlungen in Schmitzkatze oder Antiquariatskataloge (auch online). Die fleissigen Probeleser bei Schmitzkatze und die Sammelleidenschaft der Antiquarii ersparen mir die aufwändige Zusammenstellung. Nur die Krimis bräuchten nicht auf der Liste zu stehen.